Geschichtlicher Hintergrund (copyright by Kamineo(A.F.))

Die Pest gilt auch heute noch als eine der schlimmsten Krankheiten der Geschichte. Und das zu Recht. Bei der großen Pestepidemie, die 1347-51 Europa heimsuchte, erlag ein Drittel der gesamten Bevölkerung dem „Schwarzen Tod“.

Doch schon viel früher wütete die „große Seuche“; sogar in der Bibel ist sie im Alten Testament erwähnt. Und auch in der Antike trat sie ab 1080 v. Chr. regelmäßig in Erscheinung. Sogar römische Kaiser (Marc Aurel) entrannen ihr nicht.

 

Die große Pestwelle wurde jedoch erst im 14. Jahrhundert durch folgende Begebenheit eingeleitet: die tatarischen Reiterhorden unter Khan Djam Bek belagerten das reiche genuesische Handelszentrum Kaffa am Schwarzen Meer. Nach dem Ausbruch der Pest unter seinen Soldaten ließ der Khan die Pestleichen über die Stadtmauer in die Stadt katapultieren. Nach dem Abzug der Tataren nahm Kaffa den Handel wieder auf, und der mörderische Vormarsch des „Schwarzen Todes“ begann. Über Konstantinopel erreichte er Sizilien, wenig später Pisa, und damit ganz Norditalien, von wo er sich nun nordwärts über ganz Europa verbreitete. Diese Pandemie wütete zwischen 1347 und 1351 zwischen Grönland und Konstantinopel und kostete 25 Millionen Menschen das Leben, das heißt einem Drittel der damaligen Bevölkerung des Abendlandes. Von nun an erreichte die Pest alle neun bis zwölf Jahre einen neuen Höhepunkt. Ausbrüche ereigneten sich, besonders regionale, jedoch jährlich. Somit wurden zum Teil ganze Landstriche entvölkert. Und auch in Städten wie beispielsweise Bremen betrug die Todesrate bis zu 70%.

 

Als Ursache der Pest vermutete man im Mittelalter wie auch bei anderen Krankheiten Veränderungen der Luft, giftige Dünste, Schwärme von unsichtbaren Insekten, deren Eindringen in den Blutkreislauf Veränderungen im Körper zur Folge haben sollte. Daneben wurden auch die Juden als angebliche Brunnenvergifter für die großen Epidemien verantwortlich gemacht, was im Zuge der zweiten großen Pestwelle im 14. Jahrhundert zu Ausschreitungen und Pogromen führte.

Da im Mittelalter über die Pest recht wenig bekannt war, wurden zu ihrer Bekämpfung vielfältigste Mittel angewandt. Zur „Desinfektion“ wurde von Essig, Rauch, Schwefel und Parfum (später wurde daraus das weltberühmte „Echt Kölnisch Wasser“ entwickelt) Gebrauch gemacht. Doktoren in dicken Kostümen und mit Schnabelmasken öffneten die Pestbeulen der Kranken und ließen Eiter und Blut abfließen. Furchtlosigkeit wurde als oberstes Mittel gegen die Pest gepriesen. Mehr als fünfzig verschiedene Pestheilige (darunter besonders der Heilige Sebastian und der Heilige Rochus) wurden angerufen. Isolation und Quarantäne wurden eingesetzt. Dies erwies sich als etwas vom Wenigen, das wirksam war. Jede Stadt führte die Quarantäne, normalerweise vierzig Tage lang, an allen Fremden durch und Kranke wurden isoliert. Ein schlechtes Zeichen waren die Pestkarren, die die Toten gleich Karrenweise aus der Stadt zu den Pestlöchern transportierten, Zeichen dafür, dass an einem Tag oft Tausende von Toten weggebracht werden mussten. In diesen Pestlöchern fanden Massenbeerdigungen auf zum Teil makaberste Art und Weise statt. Die Toten wurden lagenweise in die Löcher geworfen, mit Erde bedeckt, um darauf die nächste Lage Tote zu werfen. Wurden die Toten noch einzeln beerdigt, so kamen spezielle Pestsärge zum Einsatz. Sie besaßen an der Unterseite zwei Klappen, durch die der Tote ohne großen Aufwand ins Grab befördert werden konnte, und der Sarg war einsatzbereit für den nächsten Toten.

 

Die großen Seuchenzüge des Mittelalters hatten auch vielfältige soziale Auswirkungen zur Folge. Die Menschen verließen ihre Familien und Freunde, um sich vor einer Ansteckung zu schützen und der Egoismus begann um sich zu greifen. Besonders Adelige und Kleriker konnte sich die Flucht leisten und waren die ersten, die ihre Heimat verließen. Durch den somit entstandenen Mangel an Ärzten und Priestern wurde die Not im Volke nur noch größer. Die Leute wurden nicht mehr behandelt und gepflegt, erhielten die Sakramente, besonders die Letzte Ölung, nicht mehr und starben physisch und psychisch total abgewrackt.

Teilweise ereigneten sich richtige Tragödien. Mütter schlugen ihre Kinder zu Tode, damit diese nicht den brutalen Tod sterben mussten, Männer beerdigten sich selbst bei lebendigem Leibe, um nicht vor dem Sterben von Mäusen, Ratten oder Würmern angefressen zu werden.

Die Obrigkeit begann, Menschenansammlungen, darunter sogar Gottesdienste, zu verbieten, was dazu führte, dass die Absolution aus der Ferne erteilt wurde und das Abendmahl auf zwei Meter langen Löffeln gereicht wurde. Auch erste Hygienevorschriften wurden in dieser Zeit erlassen.

Allerdings versuchten die Behörden vielerorts das Auftreten der Seuche zu verheimlichen und wenn nötig zu vertuschen, man wollte die Handelsbeziehungen mit anderen Städten nicht gefährden und die Panik im Volk möglichst verhindern.

Viele Leute lebten nun, im Angesichte eines furchtbaren Todes, viel bewusster, was auch erfreuliche Auswirkungen zur Folge hatte. So stammen die prächtigsten Beispiele von Prozessionen und Umgängen aus der Zeit des Barock und sind eine direkte Reaktion auf die große Zahl von zum Teil Tausenden von Toten täglich. Diese wunderbaren Prozessionen zu Ehren verschiedener Heiliger und der Gottesmutter Maria führten durch sämtliche Straßen der Stadt, wurden von allen einigermaßen gesunden Einwohnern besucht und dauerten meist den ganzen Tag. Während dieser Tage läuteten die Kirchenglocken ununterbrochen und Tausende von Gebeten wurden zum Himmel geschickt.

 

Nach der schweren Pestepidemie, die 1347 begann, suchte die Seuche die nächsten drei Jahrhunderte in nahezu regelmäßigen Abständen in lokalen und regionalen Epidemien europäisches Gebiet heim. Die Stadt St. Gallen wurde beispielsweise zwischen 1500 und 1640 mindestens vierzehn Mal von der Pest heimgesucht. Nach 1580 traten außerdem in sich wiederholenden Abständen von vier bis fünf Jahren zusätzlich die Pocken auf, an denen vor allem junge Kinder starben. Ähnliches gilt für die kleine Stadt Uelzen, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts ungefähr 1.200 Einwohner hatte. Uelzen gehört zu den Städten, die bereits im 16. Jahrhundert genaue Register über ihre Einwohner führten. So weiß man, dass im Jahr 1566 in Uelzen genau ein Viertel der Einwohner starben, nämlich 295, von denen 279 der Pest erlagen. 1597 - Uelzens Einwohnerschaft war mittlerweile auf ungefähr 1.600 Einwohner angestiegen - starben 554 Einwohner, davon 510 an der Pest.

Zu weiteren schweren Epidemien kam es 1665/66 in London mit etwa 99.000 Toten und 1678/79 in Wien.

 

Die letzten Pestepidemien trafen Europa im 18. Jahrhundert. Von 1709 bis 1711 wütete die Pest in Ostpreußen; starben dort gewöhnlich pro Jahr 15.000 Menschen (von einer Einwohnerschaft von etwa 600.000), kamen in diesen drei Jahren insgesamt 230.000 Menschen ums Leben. Aus Sorge vor einem Ausbruch auch in Berlin ließ König Friedrich I. (Preußen) dort ein Pesthaus errichten, aus dem die Charité  hervorging. (Seit 2003 ist die Charité gemeinsame medizinische Fakultät der Humboldt- und der Freien Universität Berlin) Im Mai 1720 trat die Pest wieder in Marseille und in der Provence auf und verschwand erst wieder 1722. Nachdem 1771 in Moskau eine weitere Pestepidemie aufgetreten war, blieben weitere Pestepidemien in Europa aus.

 

Das Erlöschen der Pest in Europa bringt man damit in Zusammenhang, dass seit dem 16. Jahrhundert die Hausratte allmählich von der Wanderratte verdrängt wurde. Da die Wanderratte scheuer ist als ihre Vorgängerin, kommt es weniger häufig zu direkten Kontakten zwischen Mensch und Tier, was eine Ansteckung durch pestinfizierte Flöhe reduziert.

Eine weitere mögliche Erklärung ist, dass sich der Pesterreger genetisch verändert hat oder dass Ratten immun gegen den Pesterreger wurden und nach der Infizierung durch den Floh nicht mehr starben, so dass es für die Flöhe keine Notwendigkeit mehr gab, abzuwandern. Auch die Fortschritte im Gesundheitswesen und die Verbesserung der Hygiene haben dazu beigetragen, dass Pestepidemien ausblieben.

 

Die letzte Pandemie (Länder übergreifende Epidemie) begann in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Zentralasien und kostete während der nächsten 50 Jahre weltweit rund 12 Millionen Menschenleben. Während dieser Pestepidemie konnte der Erreger identifiziert und der Übertragungsweg erklärt werden.



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